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Schmeckt!

JUNGE FILMSCHAFFENDE TISCHEN AUF

Noch ist es hell auf den Straßen Wiens. Ein Frühsommerlicher Juniabend untermalt von einer gar sonnigen Stimmung, welche sich vor allem vor dem Gartenbaukino ausbreitet. Hier haben sich ungewöhnlich viele Menschen versammelt, eine bunte Traube hauptsächlich junger Leute. Manch einer möchte sagen, die „alternative bubble". Sie unterhalten sich lachend, rauchen selbstgedrehte Zigaretten und trinken Club Mate und das ein oder andere Bier -  typisch! Einige Grüppchen sitzen auf dem sonnenwarmen Asphalt im Kreis zusammen, der Verkehr am Parkring im 1. Bezirk ist hier heute etwas eingeschränkt… Was ist denn hier los? Ein Straßenfestival, die Premierenfeier eines renommierten Regisseurs? Nein, was hier heute Abend passieren wird, schmeckt besonders gut. Schmeckt! ?  

Welches Projekt sich hinter diesem undurchsichtigen Namen versteckt und wie es dazu gekommen ist, erfahre ich von Teammitglied und Produktionsleiter Julian Köppl, der mir einiges über das Konzept und die Entstehung von Schmeckt! erzählte…

Schmeckt!, das neueste Kurzfilmfestival in Wien versteht sich selbst als Initiative, jungen Filmschaffenden Raum und Möglichkeit zu geben, sich und ihre Projekte zu zeigen, frische Perspektiven auf die große Leinwand zu bringen und in den anschließenden Filmgesprächen miteinander zu reflektieren und zu diskutieren. Es ist ein Festival für die Sinne, die bei Schmeckt! alle auf ihre Kosten kommen. Das gesamte Event mitsamt seinem Rahmenprogramm, das die Veranstaltung zu einem erfrischenden Gesamtergebnis macht und den urbanen Festival Charakter verleiht, soll den Raum schaffen, sich mit anderen kreativen Köpfen zu vernetzen, mit Filmliebhaber*innen ins Gespräch zu kommen und Kontakte zu knüpfen. Zu diesem Rahmenprogramm gehörte einerseits die Vernissage im luftigen Foyer des Kinos, bei welcher mehrere junge Künstler*innen ihre Werke ausstellen konnten und beispielsweise auch handgemachter Schmuck zu kaufen war. Überall betrachteten interessierte Besucher*innen die vielseitigen Ausstellungsstücke in den unterschiedlichsten Stilen. Neben großflächigen Arbeiten, die in ihrer unkonventionellen Willkürlichkeit an Basquiat erinnerten, fand man abstrakte Installationen und surrealistische Traumwelten. Dieses Miteinbeziehen anderer Kunstsparten gab dem Event seine außergewöhnliche Note. Andererseits kam man auch kulinarisch auf seine Kosten: das Catering des jungen Gastronomie Business DasDrittl schmeckte ebenso gut wie das Genussmenü aus Kurzfilmen. So gut, dass der Andrang beim Food Point vor dem Kino kaum zu bewältigen war. Den Ausklang fand das Event bei Italo Disco und Techno Rhythmen, zu denen bis in die Nacht getanzt wurde, umgeben von den ausgestellten Kunstwerken und den angeregten Gesprächsfetzen inspirierter Besucher*innen. Gläser klirrten, Körper wirbelten herum und die ausgelassene Stimmung hüllte alle Anwesenden in den wohltuenden Flair, den leidenschaftliche Kunstveranstaltungen so mit sich bringen. Ein kollektives Erleben von etwas Wahrhaftigem, das noch Tage später nachhallt. 




Aber wie ist die Idee, ein eigenes Kurzfilmfestival auf die Beine zu stellen, überhaupt entstanden, will ich von Julian wissen. Begonnen hatte es eigentlich damit, dass zwei aufsteigende Filmfanatiker, Xaver Haiden und Ulrich Leitner, vor etwas mehr als einem Jahr nach einer Möglichkeit suchten, ihre soeben beendeten Kurzfilmprojekte in Form eines Screenings zu präsentieren. Wien punktet in Sachen Film mit seinen zahlreichen nostalgisch angehauchten, stimmungsvollen Kinos, welche geschmackvolle Arthouse Filmprogramme präsentieren. Genau so eines mit den eigenen Projekten zu bespielen? Ein aufregender Gedanke! Allerdings war schnell klar, dass es dazu noch mehr Mitwirkende brauchte, um das Ganze finanziell zu stemmen, was die Idee, eine größere Veranstaltung zu realisieren, aufkommen ließ. Es kribbelte in den Fingerspitzen bei der Vorahnung auf das, was da entstehen könnte. Drei weitere Kurzfilme wurden mit ins Boot gezogen, an Kontakten, die Interesse daran hatten mitzuwirken, mangelte es den Gründern schließlich nicht. Das erste Schmeckt! nahm langsam Gestalt an. Und auch ein Kino, das bereit war zu kooperieren und sich offen für das junge Projekt zeigte, wurde gefunden: das Gartenbaukino. Doch nun war eine gewisse Erwartungshaltung mit im Spiel, da es mit seinen 736 Plätzen durchaus ein Name in Wien und nicht einmal bei renommierten Filmpremieren leicht zu füllen ist. Groß war die Überraschung, als am Veranstaltungstag das wirklich große Kino gut gefüllt war, obwohl sich beim ersten Mal kaum Mühe mit der Werbung gemacht wurde. Durch Bekannte und Mundpropaganda trudelten die Stammgäste des Gartenbaukinos, junge Filmschaffende und Verwandte ein, und die Begeisterung über ein volles Kino und das offensichtliche Interesse an jungen Filmprojekten ergriff Besitz von den Organisator*innen. „Wir haben einfach gemerkt, wie viel Spaß es uns macht, so etwas selbst auf die Beine zu stellen, und wie gut es harmoniert“, schwärmt Julian. Nicht nur beim Publikum sei es gut angekommen, auch das Gartenbaukino fand die Veranstaltung überzeugend und war bereit, weiter zu kooperieren. Das Team hatte hier etwas geschaffen, das es in dieser Form bisher in Wien nicht gab. Die Idee eines Kurzfilmfestivals mit Fokus auf Filmen von jungen Filmschaffenden wurde verwirklicht. “Dabei war es uns auch ein Anliegen, besonders jenen eine Chance zu geben, die nicht im Rahmen einer Filmhochschule den Vorteil von Budget und Mitteln genießen, sowie ein akademisches Umfeld, in dem das Filmemachen tägliche Übung ist”, betont Julian. Schmeckt! möchte Leute präsentieren, die mit Herzblut eigene Projekte schaffen, welche qualitativ überzeugen und das künstlerische Engagement zum Ausdruck bringen. Genau das sei auch der „unique selling point“ von Schmeckt!, so Julian. Das Konzept „Young Professionals“ ist in allen Bereichen des Festivals vertreten, schließlich sind auch alle Mitwirkenden unter dreißig. Schmeckt! hat es sich damit auch zur Aufgabe gemacht, diese Altersgruppe von ambitionierten Künstler*innen zu unterstützen und bisher unbeachteten Produktionen den Raum zu geben, den es alleine meist noch schwer zu erkämpfen gilt. 

Einige Monate vergingen, bis das junge Team Mitte März dieses Jahres ihr erstes internes Meeting hatte, um ein Comeback von Schmeckt! zu realisieren. Diesmal wollten sie größer denken und vor allem von der Vorgehensweise wegkommen, nur Filme von Künstler*innen aus dem Bekanntenkreis zu zeigen, denn da würden einem schließlich viele spannende Projekte entgehen, die nur darauf warten, eine Leinwand zu bespielen. Außerdem sollte das Ganze fair abgehandelt werden, mit denselben Möglichkeiten für alle, weshalb zur Filmauswahl ein Gremium erstellt wurde, wohlgemerkt nicht nur aus “weißen Männern” bestehend, betont Julian. 

114 Filmeinreichungen, darunter auch internationale Produktionen, erreichten das Gremium. Die Freude über das Interesse an dem eben erst gegründeten Format wirkte elektrisierend.
Sieben spannende Produktionen schafften es schließlich auf die Leinwand des Gartenbaukinos, die vor allem durch ihre Vielfalt überzeugten. Darunter zwei italienische Produktionen, eine Dokumentation, ein Animationsfilm und ein Musikvideo. Diese Offenheit gegenüber dem Format Film lud das Publikum zu einem diversen Kinoerlebnis ein, bei dem jeder und jede auf den Geschmack kam, der kollektiven Begeisterung und dem regen Fragenstellen in den anschließenden Filmgesprächen nach zu urteilen.
In Il Non Pianista (The Non Pianist) verzweifelt ein hagerer junger Pianist, Typ Timothée Chalamet, an einer einzelnen Klaviertaste, die jeder andere um ihn herum zu spielen vermag, nur er nicht. In stilvollen schwarz-weiß Aufnahmen thematisiert Aria Bodio hier metaphorisch das Potenzial zum Scheitern und die inneren Bürden, die sich jeder Kunstschaffende von Zeit zu Zeit selbst auferlegt durch die Erwartungshaltung an sich selbst. „It is about the feeling of not being able to do something anyone else can do”, erzählt Bodio über den Livestream in der anschließenden Nachbesprechung..
Joshua Haidens Kurzfilmprojekt narben (THE PAST WE KEEP) traut sich das kollektive Gefühl der emotionalen Ohnmacht, des Nichts Fühlens anzusprechen sowie die Frage nach der Normalität zu stellen. Die Aufgabe, die sich der junge Schaffer gestellt hat: Dramatik und Leichtigkeit verbinden. Und das gelang ihm mit diesem Film über die menschliche Psyche, der nachdenklich macht und durch seine Zwischenräume und gefühlvollen Close-Up Einstellungen berührt, ohne melodramatisch zu agieren. Man fühlt sich der Protagonistin unwahrscheinlich nahe.
Tshegl von Philipp Silbernagl, eine Dokumentation über das Leben eines jungen Südtirolers, den seine Heimat und die Arbeit an der frischen Luft glücklich macht, nahm die Zuschauer*innen mit in die sonnengeflutete Landschaft des idyllischen Südtirols. Durch die physische Kamera (es wurde hauptsächlich mit Handkamera gefilmt) tauchte man voll und ganz in die satten Bilder ein und konnte die frische Luft beinahe riechen. Eine Ode an das Leben in einem von Identitätsfragen bewegten und zwischen zwei Ländern gespaltenen Land, in dem sich scheinbare Idylle und soziale Missstände in ständigem Ungleichgewicht befinden.
Midnight Concert von Sonja Draczynski, selbst gerade erst mit der Schule fertig, romantisiert in Form eines erfrischenden Animationsfilm das Teenageralter. Untermalt von Rock 'n' Roll Musik erzählt er in nur 2,5 Minuten von Jugendfreundschaft und nächtlichen Eskapaden. Ein mitreißender, flüchtiger Einblick in die Welt der jungen Schafferin, inspiriert vom Retrostil der MTV-Downtown Folgen aus den neunziger Jahren. Man möchte am liebsten sofort eine ganze Serie mit Sonjas raffinierten Animationen schauen. 
EDEN von Gabriele Lenzi ist ein absurdes Porträt von Verlust, Freude und dem Neid anderer. Die italienische Produktion spielt mit klassischen Horrorfilm-Mitteln und hält das Publikum so bis zum Schluss in Atem. Das beeindruckende Erscheinen einer Frau als Pflanze, aus einem Blumentopf wachsend, wurde vollkommen analog arrangiert und ohne Editing gefilmt.
Jungstar Jannis Berner, der durch seine sympathische Unbeholfenheit auf der großen Bühne die Herzen der Filmliebhaber*innen gewann, präsentierte hier mit Zwischen (halfway) seinen ersten richtigen Film. Ein gelungenes Debüt, welches die scheinbar sorglose, doch nicht immer leichte Welt von Jugendlichen ohne viele Worte auf die Leinwand bringt.
NATEMU, ein Musikvideo Beitrag, bildete den krönenden Abschluss des Screenings und brachte das Publikum in Tanzlaune. Performt von Musiker KVSAL und einem energetischen Haufen von Tänzer*innen hat der Song nicht nur richtiges Ohrwurmpotential, sondern ist als Musikvideo auch ein filmischer Leckerbissen. Eine kunterbunte Reizüberflutung vom Feinsten!




Dass die zweite Runde von Schmeckt! wieder Mitte Juni stattfand, sei laut Julian „eigentlich ganz cool“, denn so würde sich die Veranstaltung gut in die Festivallandschaft einfügen, die Wien jedes Jahr um diese Zeit ziert. Und tatsächlich war Schmeckt! diesmal ein noch größerer Erfolg. Das Gartenbaukino war beinahe ausverkauft und um die heiß begehrten Restkarten herrschte ein regelrechtes Gedränge vor den Kassen. Mit Blick auf den, in freudiger Erwartung sitzenden, Kinosaal, sprach der hauseigene Moderator Robert Buchschwenter sein Erstaunen über das ausverkaufte Kino aus: „So voll ist es hier nicht einmal bei berühmten Premieren im Rahmen der Viennale“. Man muss dennoch betonen, dass dieses Mal in die Social Media Werbung (Emilia Leitner), sowie in die Gestaltung der Website (Milan Konrad) investiert wurde. „Das Tolle an Schmeckt! ist, dass wir nach außen hin viel professioneller wirken als wir tatsächlich sind“, meint Julian selbstironisch. Ein großer Dank gilt auch dem Team des Gartenbaukinos, das sie bei allen Belangen unterstütze; sei es beim Druck der Plakate, der Verteilung oder der Organisation. „Superliebe und offene Leute, die nicht nur die Zahlen hinter der Veranstaltung sehen, sondern das Projekt ernsthaft und mit Herzblut unterstützen möchten”, meint Julian. 
Überhaupt packen bei Schmeckt! alle mit an, vor allem bei der „Drecksarbeit“. Bilder aufhängen, herräumen, wegräumen, Werbung machen, herumtelefonieren…  Das erfordert Teamgeist. Man sieht was Großes geschaffen werden kann, wenn sich junge Künstler*innen zusammenschließen und mit Passion ein Projekt realisieren. Die Ansprüche an sich selbst bleiben hoch, “es gäbe auf jeden Fall Verbesserungspotential". Auf die Vernissage sollte beispielsweise noch mehr Fokus gelegt werden, denn diese ist leider ein bisschen untergegangen; einige großartige Werke hätten definitiv noch mehr Rampenlicht verdient. Eine Vision des Teams ist, ihrem Schmeckt! noch mehr Festival Charakter zu verleihen. Das Programm könnte auf verschiedene Themenblöcke und Tage aufgeteilt werden; dazu passend verschiedene Catering Optionen, sodass eine filmische und kulinarische Delikatessen-Reise entsteht. Mehr Varietät auch in diesen Bereich bringen lautet die Devise.

Und wie geht es jetzt weiter mit Schmeckt! ? Sicher ist, es geht weiter! Der Gedanke, das Festival zweimal im Kalenderjahr zu veranstalten, musste verworfen werden, da dies vor allem die zeitlichen Kapazitäten übersteigen würde. “Die Qualität würde sicherlich darunter leiden, wenn wir unter Stress arbeiten müssten", erklärt Julian. Auf das nächste Schmeckt! kann man sich also im Juni 2026 freuen; und wenn man gerne im Bereich Film unterwegs ist, mit ein wenig Glück vielleicht sogar selbst Teil davon werden. 

Informationen und Neuigkeiten gibt es auf deren Website (https://schmecktfestival.at/) oder Instagram (@schmeckt.festival).