Ode an das Abnorme
Dieser Text ist ein Liebesbrief.
Ein Liebesbrief an alle Queers, Leute, die sich abseits der Normen bewegen und durch ihre bloße Existenz das System infrage stellen und etwas aus den Angeln heben – ich hab‘ euch lieb.
In der westlichen Welt wird es zunehmend schwerer sich sicher zu fühlen, sobald man sich außerhalb der Cis-Hetero-Hegemonie bewegt. Die Wahlen fallen in vielen Teilen der Welt zunehmend rechtsextremer aus und auch große Teile der Jugend ziehen mit und werden radikaler. Gefährliches Halbwissen, geteilt durch soziale Medien, macht das Leben vieler trans* aber auch cis Personen schwerer.
Die populistische Politik der USA, die Trans*personen, insbesondere oft Trans*frauen, als eine Gefahr für Cis-Frauen und die patriarchale Gesellschaft darstellt, hat ihre Wellen bis nach Europa geschlagen. So wurde diesen April in Großbritannien durch den Supreme Court ein Gesetz beschlossen, das Trans*frauen explizit aus „Single-Sex“-Räumen wie Umkleidekabinen, Toiletten und Sportclubs ausschließt. Unterstützt wurde dies natürlich von der Lieblings-TERF der Medien – J.K. Rowling, die das Gesetz als feministischen Sieg feiert. Abgesehen davon, dass das einen großen Rückschritt für Transrechte und modernen Feminismus bedeutet, hängt es einer sehr kleinen Gruppe der Bevölkerung (sage und schreibe 0,5%) ein sehr großes Ziel um den Hals – und natürlich werden cis Personen, sobald sie, aus welchen Gründen auch immer, nicht der Norm entsprechen, dies zu spüren bekommen. Transphobie nützt niemandem.
Hinzu kommt auch die Zunahme des organisierten Hassverbrechens gegen Homosexuelle, wie man am Beispiel der „Pedo Hunters" erst kürzlich in Österreich beobachten konnte. Dabei handelt es sich um ein rechtsextremes Netzwerk, welches es primär, aber nicht exklusiv, auf homosexuelle Männer abgesehen hat und diese durch Fake-Profile auf „Dates“ lockt, um sie dort anzugreifen und/oder auszurauben. Der Fall kam durch die Berichterstattung einer Großrazzia in sieben österreichischen Bundesländern, bei der 15 Verdächtige festgenommen wurden, in die Medien; anzumerken ist auch, dass keines der 17 Opfer tatsächlich pädophile Neigungen aufwies. Zudem werden nun zunehmend LGBTQIA+ Paraden verboten, so wie auch beispielsweise kürzlich in Ungarn.
Dadurch ist es nun umso wichtiger, sich zu vernetzen und Solidarität aktiv zu praktizieren. Über längere Zeit haben sich CSD-Paraden zu einem kommerziellen Party-Umzug entwickelt – gesponsert von Funknetzanbietern, Autohändlern und Banken. Während dies die allgemeine Akzeptanz und Awareness fördert und LGBTQIA+ für die weite Masse normalisiert, trägt es dazu bei, dass der Grundgedanke des Protests für Gleichberechtigung in den Hintergrund gerät. Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass diese Korporationen CSD-Paraden und Feste nur so lange unterstützen, bis es sie etwas kosten könnte. Dies konnte man jüngst in den USA beobachten, denn dort haben mehrere große Langzeit-SponsorInnen, wie Comcast, Nissan und Deloitte, den Geldhahn für die diesjährigen Paraden zugedreht.
Juni ist Pride Month, die Jahreszeit des Rainbow-Washings: Regenbogen-Logos auf sozialen Medien, Spezialeditionen von Produkten und Werbungen mit dem ein oder anderen homosexuellen Paar. Performative Unterstützung, soweit das Auge reicht – doch wie viel steckt wirklich dahinter? Man sollte den kommerziellen SponsorInnen in jedem Fall kritisch gegenüberstehen und vielleicht hinterfragen, wo sie sich den Rest des Jahres, oder auch weltweit, politisch positionieren und wie weit ihre Unterstützung reicht.
Ich will nicht länger auf die Parade regnen, denn im Endeffekt hat sich die LGBTQIA+-Community das alles selbst aufgebaut und ihre Rechte erkämpft. Sie hat sich vernetzt und gestärkt, lange bevor ein Regenbogen-Logo salonfähig wurde. Die Resilienz, die queere Leute an den Tag legen müssen, um in einer Welt zu überleben, die nicht für sie gemacht wurde, ist bewundernswert.
Vielfalt ist etwas so Wunderschönes, wenn sie ausgelebt werden kann – man beachte den Einfluss queerer Kunstschaffender auf Mode, Popkultur und Kunst. Mit Drag und Ballroom haben sich eigene Kunstformen etabliert, deren Kultur nun auch immer öfter Objekt der kulturellen Aneignung durch den Mainstream werden. Sich gegen die Norm zu stellen, braucht Kraft, Kreativität und eine innere Stärke, von der einige nur träumen können. Meine Liebe und Bewunderung gelten vor allem auch meinen trans* Geschwistern: Ich sehe euch und ihr seid wunderbar. Ich weiß, dass es manchmal schwer sein kann, aber eure Existenz ist so unglaublich notwendig und schützenswert. Egal wo ihr gerade im Leben steht, ich wünsche euch das Allerbeste, denn es wird besser werden.
An alle Allies: Seid laut. Unterstützt eure queeren Mitmenschen und lasst euch nicht vom medialen Narrativ zu einer verfälschten Realität der Dinge leiten. Wir brauchen euch und eure Zivilcourage nach wie vor; vielleicht sogar mehr denn je.