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Aspire to Inspire  



Aspire to Inspire
Am 7. Oktober erschien The Moon, Before Morning, der dritte Release meiner - mal mehr, mal weniger - professionellen Musiker Laufbahn. Seit nun circa acht Jahren versuche ich die conditia humana, die Wahrheiten des Daseins oder manchmal auch einfach nur meine Gedanken zu Gott und der Welt in Wörter und Melodien zu packen. Ich habe im Folgenden mal ein paar meiner Erkenntnisse zusammengetragen, mal mehr, mal weniger deep, aber vielleicht ja ein bisschen mit Mehrwert für euer musikalisches oder künstlerisches Treiben.


In der Pause, da passiert was!
…hatte mein Orchesterleiter früher immer gesagt. Fast forward 15-20 Jahre und ich glaub ich hab so langsam kapiert, was der gute Herr Brunner damals damit meinte. Manchmal ist es die Stille, die Momente, in denen nichts klingt, in der sich die Magie entfaltet. In den Momenten, in denen wir als Hörer*in nicht vorgeschrieben bekommen, was wir zu hören oder zu fühlen haben, sondern in denen unser Gehirn aushelfen muss. Wo es selbstständig, intuitiv die Assoziationen setzt, verknüpft, ergänzt, kreiert oder kurz gesagt das Mandala ausmalt. In meiner Vorstellung funktioniert das im Kopf so ähnlich wie eine optische Täuschung - das Gehirn ergänzt Information, wo es diese für subjektiv richtig hält.


2. Laute > Wörter
Mein größten Respekt an Songwriter, die mehr im Storytelling-Genre unterwegs sind. Als Beispiel: Da steht dann so einer mit einer Gitarre da und erzählt in seinem Song über seinen letzten Augenarztbesuch oder so. Aber so fesselnd erzählt, dass ich da sitze, an jedem Wort hänge und an jedem Ende einer Strophe ein Gefühl in mir verspüre, welches ich zuletzt bei einem Cliffhanger einer Breaking Bad-Folge hatte. Persönlich bevorzuge ich es aber, anders zu schreiben. Ich liebe es, der Melodie zu folgen, irgendwelche erfundenen Wörter vor mich her zu summen, herauszufinden, wo in der Zeile die Betonungen sind, wie viele Silben in die Zeile sollen und wie lang oder kurz sie gesungen werden. Die erfundenen Wörter werden dann mit ähnlich klingenden, echten Wörtern ersetzt und so entsteht auf einmal ein Text, der gut zu dem Song passt und inhaltlich vom eigenen Unterbewusstsein gefüttert ist. Ähnlich wie bei Punkt 1, bin ich einfach ein Fan davon, wenn die Lyrics eine Bedeutung haben, diese aber so lose ist, dass man selber als Hörer*in zwischen den Zeilen ergänzen kann.


3. Kunst ist dein Sandkasten
Apropos erfundene Wörter - was ist nun, wenn mir mein selbst geschöpftes Wort gefällt? Jackpot! Ich arbeite doch nicht kreativ und künstlerisch, um mich dann einschränken zu lassen von Regeln, dem Duden oder sonst irgendwem. Ich denke, es ist wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern. Solange es für dich passt, für dich Sinn ergibt und sich dann auch noch gut anhört. Ziel erreicht, würde ich sagen.


4. Authentizität
Bei all der Verspieltheit, der Grenzenlosigkeit, finde ich es aber auch super wichtig, dass man hinter seiner eigenen Kreation stehen kann, dass man seine eigene Wahrheit dahinter kennt. Diese Transparenz und Verletzbarkeit spürt das Publikum und sie sorgt für eine einzigartige menschliche Verbindung. Aus meiner Sicht auch ein wichtiger Punkt, wenn wir über KI in der Musik reden. Ich bin jetzt mal Optimist und behaupte, dass es für eben jene human experience immer eine Bühne geben wird. Eine Live-Bühne, auf der Saiten reißen, Schlagzeugfelle zerbersten, wo Tränen, Schweiß und Blut fließen, wo beste Freunde oder Leute, die sich noch gar nicht kannten, gemeinsam unvergessliche Erinnerungen schaffen.


5. I <3 Delay
2014 erschien Ben Howards zweites Album I forget where we were und damit eine Abkehr vom Happy-Go-Lucky-Surfer-Boy-Sound seines ersten Albums. Stattdessen war es eine düstere Atmosphäre, getragen von einem Gitarreneffekt, den ich damals noch nicht wirklich einordnen konnte, der sich mir aber ohne Umwege ins Gehirn brannte. Delay! Kurz erklärt - normalerweise schlägt man einen Ton auf der Gitarre an und genauso klingt er dann auch - Daaaa. Der Delay-Effekt wiederholt diesen Ton, obwohl man ihn nur einmal angeschlagen hat. Er klingt also DAAA DAAa DAaa Daaa. Ohne zu zögern habe ich mir ein Delay Effekt Pedal besorgt und damit experimentiert. Zum einen fand ich es erstmal sehr interessant, wie etwas Simples wie ein Gitarren Effekt dafür sorgen kann, dass man sofort neue Inspiration findet, neue Möglichkeiten, neue Ideen, die vorher irgendwie keinen Sinn gemacht haben, aber auf einmal super cool sind. Zum anderen bietet es mir als Solo-Künstler die Möglichkeit, Percussion-ähnliche Elemente in meine Performances zu integrieren. Ein stumpfes auf die Gitarre hauen klang früher grausam, mit Delay ist es auf einmal Rhythmus. Zuletzt sei noch erwähnt, dass dieser Effekt für einen gewissen Sound sorgt, der sich groß, weit, unendlich anhört, ein bisschen wie der Soundtrack zu einem Traum oder einem Trip. 

Falls du selber ein Saiteninstrument spielst, probiers mal aus! Spiel Flageoletttöne in einem rhythmischen Muster und dreh den Delay Effekt auf 3000. Viel Spaß!


6. Eine Bühne bieten, einen Raum öffnen
Zu guter Letzt möchte ich noch ein bisschen darüber reden, wie wichtig es mir ist, nicht nur selber Kunst zu schaffen, sondern auch anderen Menschen die Möglichkeit zu bieten sich auszudrücken. Angefangen hat das damals mit der Organisation von Wohnzimmerkonzerten. Das Ziel war einen Raum zu schaffen, der gemütlich, vertraut und supportive ist. Das Ergebnis war, dass auf einmal Leute auf der Bühne standen, von denen man gar keine Ahnung hatte, dass sie sich mit Musik auseinandersetzen, geschweige denn singen oder ein Instrument spielen können. Und zugegeben, manchmal war es dann auch Vance Joy‘s Riptide zum zwanzigsten Mal, aber das war sowas von egal. Wir hatten es geschafft einen Rahmen zu schaffen, in dem sich Menschen unapologetisch ausdrücken können. Dieses Mindset haben wir später fortgesetzt, in etwas offiziellerer Form, im Heimatministerium der Moderne. Abends Bar und manchmal auch Club, tagsüber ein Raum zum Experimentieren, Aufnehmen, Jammen und Freestylen. Das Ganze wieder mit vollem Fokus auf die Ausdrucksförderung. Heute arbeite ich im studio12, ein Café und eine Bar mit Fokus auf Kunst, Kultur, Musik und Nachbarschaft. Hier treffe ich im Wochenrhythmus auf Musiker*innen aus Brasilien, Indien, UK, etc. Die Gespräche, die ich hier führen kann und die Erfahrungen, die hier geteilt werden sind unglaublich und mittlerweile eine der größten Inspirationen in meiner eigenen kreativen Arbeit. Zusammengefasst möchte ich eigentlich nur sagen, wie zentral ich es finde, offen für Inspiration von außen zu sein und die Wahrnehmung, dass man selber auch Inspiration für Andere sein kann. Alles was es braucht, ist ein Raum, der das zulässt. 

Falls ihr euch meine Musik mal anhören möchtet, schaut gerne mal auf Instagram vorbei, dort findet ihr alle Links zu Spotify, YouTube, etc. -> @hanno_pirmin



HANNO TEXT


DORO ADAM BILD