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Die Bauakademie und der Berliner Ziegel


Nach jahrelangen öffentlichen Auseinandersetzungen um eines der beliebtesten Gebäude Berlins, die Berliner Bauakademie, hat die Bundesbaubehörde endlich die Bedingungen für einen Architekturwettbewerb zum Wiederaufbau bekannt gegeben. Gemäß den Wettbewerbsrichtlinien müssen alle Entwürfe in irgendeiner Form das ursprüngliche Design rekonstruieren. Diese Vorgaben bergen jedoch einige Probleme. Nachhaltige Aspekte sollen in die Entwürfe einfließen. Dies dient aber vor allem als Vorwand, um Innovationen in die Wettbewerbskriterien aufzunehmen und gleichzeitig den Diskurs darüber zu unterbinden. Alle gut gestalteten Gebäude sind heutzutage ohnehin umweltfreundlich! 

Um die Bedeutung des Wettbewerbs zu verstehen, muss man sich ein wenig mit Geschichte beschäftigen. Die Bauakademie wurde 1832 vom preußischen König in Auftrag gegeben, um erstmals in Brandenburg und weiten Teilen Europas Bauherren in der Kunst und Wissenschaft des Bauens auszubilden. Vielseitige Architekten entwarfen daraufhin grandiose Gebäude in Berlin, die Teil der sogenannten Aufklärung des 18. Jahrhunderts in Deutschland waren. Das Schulgebäude selbst wurde von einem der wohl visionärsten Architekten Deutschlands, Karl Friedrich Schinkel, entworfen und sah anders aus als alles, was es zuvor gab. Das quadratische, funktionale und dennoch dekorative Gebäude, das ausschließlich aus Ziegeln erbaut wurde, stand mehr als 100 Jahre lang neben dem alten Stadtschloss. 

Seit seinem Abriss im Jahr 1962 scheint die Öffentlichkeit das Gebäude geradezu zu fetischisieren, wie Websites mit harmlosen Namen wie „Freunde der Schinkelschen Bauakademie” zeigen, die Darstellungen der Backsteinfassaden des Gebäudes, ausgewählte historische Pläne und Bildunterschriften präsentieren. Die Websites loben die architektonische Überlegenheit des Gebäudes und preisen immer wieder Schinkels unvergleichliches Genie. Seit ihrem Erscheinen in den 1990er Jahren bergen diese Websites die einzige Darstellung des Gebäudes, die für die Öffentlichkeit leicht zugänglich ist. Ohne Kritik erklären ihre Texte, wie beispielsweise „so viel Schinkel wie möglich!”, die dringende Notwendigkeit eines Wiederaufbaus. Diese Idee wurde später, Mitte der 2010er Jahre, zu „...aber auch mehr als nur das Gebäude!” weiterentwickelt, wobei auf die innovative Qualität der neuen Institution Bezug genommen wurde, ohne vorzuschlagen, was diese sein sollte oder sein könnte. 

Angesichts der hohen Bedeutung des Projekts würde man sich vielleicht weniger auf die Figur Schinkels konzentrieren und mehr auf die innovativen Aspekte des ursprünglichen Gebäudes, wenn die Ausgrabungen der physischen Ruinen der Bauakademie früher stattgefunden und stärker im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden hätten. Die von den Berliner technischen Einrichtungen durchgeführten Ausgrabungen begannen, als der Nachfolger der Bauakademie, ein Regierungsgebäude der DDR, 1996 abgerissen wurde, aber die Ausgrabungsarbeiten nahmen erst in den 2010er Jahren Fahrt auf und erst kürzlich wurden die relevanten architektonischen Details aus der Ausgrabungsstätte bekannt. Neben den alten Ziegeln wurden vor Ort auch Überreste von Spezialmörteln und Dekorplatten gefunden, die einst als architektonische Elemente miteinander verschmolzen waren. Die Formen und technischen Eigenschaften dieser Teile ermöglichten es, bei der Konstruktion auf andere Verbindungsmaterialien zu verzichten, was zur Reinheit der Ziegelaußenfassade des Gebäudes beitrug. Die nun auf den Websites der TU Berlin veröffentlichten Beschreibungen dieser Funde geben endlich Aufschluss über den innovativen Prozess, der die einzigartigen Fassaden der Bauakademie hervorgebracht hat. 

Das Experimentieren mit Materialien hat in Berlin eine lange Tradition, die durch die langjährige Präsenz von Kunst- und Wissenschaftsinstitutionen in der Stadt gefördert wurde. In Einrichtungen wie der Weißensee Kunsthochschule und dem BAM (Bundesanstalt für Materialforschung) oder auch in Kollektiven, wie dem Haus der Materialisierung, werden alle Arten von praktischen Experimenten durchgeführt, wobei der Schwerpunkt jeweils auf der Gestaltung, der Umnutzung oder der Veränderung von Materialien liegt. Schinkels Experimente mit Ziegelsteinen, die bei den Ausgrabungen auf dem Gelände der ehemaligen Bauakademie entdeckt wurden, waren wegweisend für die bis heute andauernde Tradition des Materialexperiments in Berlin. Eine Rekonstruktion der Schinkelschen Architektur ohne Experimente würde zwar an die Tradition erinnern, wäre aber nicht Teil davon.

Ein weiteres Problem bei der Rekonstruktion der Bauakademie ist die mangelnde kulturelle Relevanz des Ziegelmaterials für einen Wiederaufbau im Vergleich zur Relevanz der Originalziegel. Um diesen Zusammenhang zu verstehen, ist es wichtig, Berlins historische Liebe zum bescheidenen Ziegelstein zu verstehen.

Im 19. Jahrhundert kamen Migranten nach Berlin, um in der Fertigungsindustrie zu arbeiten, zu der auch viele Ziegeleien gehörten, die sich in der Nähe der natürlichen Tonvorkommen der Stadt befanden. Dank jahrhundertelanger Ziegelbauweise von Kirchen wurden Ziegelsteine mit Kirchen und ihren Gemeinden in Verbindung gebracht, die als erste Bastionen der Gemeinschaft, des Sozialwesens und der Bildung in der Region dienten. Der berühmte Ausdruck „Berlin ist aus dem Kahn gebaut!“, welcher Lastkähne mit Stapeln von Ziegelsteinen und ihren Fabriklogos zeigt, die das Binnengewässersystem füllen, veranschaulicht ebenfalls den Stolz, den man damals für den Ziegelstein als Baumaterial empfand.

Errichtet ausschließlich aus der neuesten Art glatter, roten Fabrikziegeln, war dieser Stolz zweifellos bei der Fertigstellung der Bauakademie zu spüren. Der Zeitpunkt der Fertigstellung im Jahr 1836 hatte noch eine weitere Auswirkung, denn das Gebäude belebte die Ästhetik von Ziegeln als Fassadenmaterial neu. Zu dieser Zeit verschwanden Ziegelsteine zunehmend aus dem Blickfeld. Sie wurden in tragenden Wänden verbaut, die mit modernem Putz für Mietshäuser in der wachsenden Stadt verkleidet wurden. Weitere wichtige Aspekte, die zu diesem Trend führten, waren, dass Kirchen mit Ziegelverkleidung seltener gebaut wurden, Ziegel zunehmend maschinell hergestellt wurden und als weniger schön galten und die prächtigsten Gebäude der Stadt mit teuren Steinen wie Marmor verkleidet wurden. Die frühneuzeitliche Ära des Ziegelexpressionismus, die auf die Fertigstellung der Bauakademie folgte, unterstreicht die Bedeutung der Verwendung von Ziegeln in der Bauakademie für die Bewahrung einer Tradition und die Wiederbelebung des Interesses an Ziegeln. 

Die Ziegelsteine, die 2025 für den Wiederaufbau der Bauakademie verwendet würden, würden nicht aus einer inzwischen stillgelegten Ziegelindustrie stammen. Der Wiederaufbau würde keine zeitgenössische Baukultur fördern, wie es sein Vorgänger zu seiner Zeit mit Außenziegeln tat. Man stelle sich vor, die Nachbildungen würden in weit entfernten Werkstätten hergestellt, wo ihre physikalischen Eigenschaften überwacht werden, um den heutigen allgemeinen Bauvorschriften zu entsprechen – ein Prozess, der alles andere als kulturell bedeutsam ist!

Ich frage mich, ob die Probleme der Innovation und der kulturellen Relevanz, die sich bei einem Wiederaufbau der Bauakademie stellen, umgedreht und als Fragen formuliert werden können. Ist es möglich, beim Wiederaufbau der Bauakademie innovativ zu sein und gleichzeitig ihre historische Bedeutung zu respektieren, und kann dieser Prozess kulturell relevant sein? Wenn es einen Konsens darüber gäbe, dass ein Backsteingebäude dem Original eher Tribut zollen würde als andere Materialien, wie könnten diese Fragen dann konkreter angegangen werden?  

Auf Abriss-, Lager- und Schuttplätzen in Berlin liegen unzählige Ziegelsteine herum. In Bereichen wie Industriedesign und Mode gibt es einen weit verbreiteten Trend, der aus gutem Grund unsere derzeitige dringende Notwendigkeit untersucht, Ressourcen zu schonen und vorhandene Objekte und Materialien wiederzuverwenden oder umzufunktionieren. Die Verwendung gebrauchter Ziegelsteine wirft jedoch unlösbare Probleme für den Bau auf, wie mir ein Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie (BVZi) erklärte, als ich plante, alte Ziegelsteine für einen Neubau zu verwenden. Offenbar sind nach einer Liegezeit von X Jahren alle unbekannten technischen Eigenschaften in Verbindung mit dem Aufwand und den Kosten zur Umgehung der Risiken dieser Unbekannten zu teuer und zu riskant für tragende Bauteile. 

Schinkels holistische Verwendung von Industrieziegeln als ein damals unvorstellbares Dekor war der Gesellschaft ein Rätsel. Wenn man über seine Experimente und die kulturelle Relevanz seiner Architektur reflektiert, könnte vielleicht ein zeitgenössisches Rätsel den Wiederaufbauprozess der Bauakademie auf kulturell relevante Weise leiten. Die Lösung eines Problems in der Architektur erfordert materielle Experimente, für die Berlin eine lange Tradition hat. Daher ist das Experimentieren mit wiederverwendeten Ziegeln für den Neubau der Berliner Bauakademie ein guter Anfang. Die Geschichte Berlins zu respektieren, könnte bedeuten, seine Liebe zu den Ziegeln, die bereits vorhanden sind, wiederzuentdecken. 




LAURA MAASRY TEXT + BILD