Butterfly Chair
Dieses Jahr war ich das erste Mal in Barcelona. Vor meiner Reise habe ich mich ein wenig informiert, was es dort zu erleben gibt. Neben gutem Essen, sonnigem Wetter, Ausstellungen und berühmten Gebäuden, gibt es ein Museum, das ich mir unbedingt ansehen wollte: das „Design Museum”. In diesem imposanten Bauwerk gibt es mehrere Ausstellungen von verschiedenen Designbereichen: Industrie, Mode, Grafik. Ich wollte schon am ersten Tag in dieses Wunderwerk der Architektur. Was für ein Glück, dass mein Airbnb nur fünf Minuten von dort entfernt war. So entschied ich mich, am nächsten Tag nach einem guten Frühstück, hinzugehen.
Ich ging vier Minuten und schon war ich dort! Das Museum teilt sich in vier Stockwerke. Jeder Stock hat einen anderen Designbereich. Ich stürzte mich gleich in die erste Ausstellung im Erdgeschoss. Ich war verzaubert. Ich fühlte mich im Himmel auf Erden. Überall Stühle! Stühle, auf die man sich nicht getrauen würde hinzusetzen, weil sie Kunstwerke sind. Ich war beeindruckt. Sprachlos. Ich schlenderte mit Genuss durch die Ausstellung. Die Ausstellung bestand überwiegend aus Werken spanischer Designer.
Ein spezieller Stuhl fixierte meine gesamte Aufmerksamkeit: der Schmetterlingsstuhl. Auf Englisch heißt er einfach Butterfly Chair. Durch seine Einfachheit entsteht die unmittelbare Beziehung zum Betrachter. Dieser Stuhl ist eine Einladung zum „Sichhineinsetzen“. Für mich war es ein besonderes Erlebnis, eine Designer Sitzgelegenheit als Kunstobjekt auch tatsächlich auszuprobieren. In der Mitte des Saales gab es mehrere Stühle zum Testen, auch meinen! Ich lies mich in den Butterfly Chair hineingleiten und genoss den Rest der Ausstellung im Sitzen. Ein behagliches Erlebnis. Man konnte sich in beliebiger Position hinsetzten. Der Stuhl sieht leicht und bequem aus und man merkt auf den zweiten Blick, welche Originalität und Funktionsweisen in ihm stecken. Das Leder ist extrem hochwertig und an den Nähten erkennt man die hohe Professionalität der Verarbeitung. Das Gestell besteht aus dünnen schwarzen Stahlrohren, die sich kreuzen und dann zusammengeschweißt sind. Über das Gestell wird dann das Leder oder auch ein Stoff angepasst und so entsteht die ikonische „Schmetterlingsform“.
Es ist ein minimalistisches und funktionales Design. In den 1950er- und 70er-Jahren wurde dieser Stuhl ein Merkmal für modernes und entspanntes Wohnen. Das Gefühl, das beim Reinsetzten entsteht, ist, als würde sich der Stuhl dem Körper anpassen. Er ist 37 cm hoch und man kann die Armlehnen einerseits zum Entspannen, anderseits zum Aufstehen nutzen oder auch, so wie ich es gemacht habe, zum Ausstrecken der Beine. Die Formgebung vermittelt, dass sich dieser Stuhl auch stapeln lässt. Damit erreicht diese Konstruktion weitere Funktionalität.
Die Inspiration zu diesem Ferrari-Hardoy-Stuhl, wie er auch einige Zeit genannt wurde, kam von früheren Camping- und Militärklappstühlen, besonders von dem sogenannten „Die Tripolina“. Diese bezeichnet einen Klappstuhl aus Holz mit Metalldrehgelenken sowohl mit Stoff- als auch mit Tierhautbespanung. Tripolina wurde vom Engländer Joseph B. Fenby erfunden und 1881 in den USA patentiert.
Das Interesse und der Verkaufserfolg am Schmetterlingsstuhl waren überwältigend. Kein Wunder, dass dieses Meisterwerk vielfach als Fälschung auftauchte. Vor allem bei der Qualität des Leders und bei der Fertigung des Metallgestells machten sich die Mängel bemerkbar. Heute gilt er auch daher als Designklassiker und ist noch immer ein Bestseller, der aus diversen Materiellen hergestellt wird.
Der vielfach ausgezeichnete „Hardoy Chair“, welcher in die ständige Ausstellung des Museums of Modern Art in New York aufgenommen wurde, kam durch Kopien in die Krise. Fakes wie man heute sagt. Hans Knoll nahm trotz Widrigkeiten 1947 den Entwurf unter Lizenzvertrag. Allerdings musste das Unternehmen 1950 aufgrund von Lizenzproblemen die Produktion einstellen. Woher die Lizenzprobleme letztlich kamen, hat mehrere Gründe. Am Design waren mehrere Architekten beteiligt. Laut Wikipedia wurde der Schmetterling-Sessel 1938 im Architekturbüro Austral in Buenos Aires entworfen. Die auch oft angetroffene Bezeichnung „BKF Chair“ setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben der Namen der drei am Entwurf beteiligten Architekten: Antonio Bonet, Juan Kurchan und Jorge Ferrari-Hardoy. Ferrari-Hardoy ist später von Bonet und Kurchan als eigentlicher Urheber des Stuhls anerkannt worden. Letztendlich hat die Originalität dieses Meisterstücks auch als „Kunstprodukt“ den Erfolg dieses Stuhles in seiner Beständigkeit abgesichert.
ALISHA NEUWIRTH TEXT + BILD